Buch: Früher hast Du gedacht: "Du nicht!"
Früher hast Du gedacht: "Du nicht!" ist eine Sammlung von Lebensgeschichten unterschiedlichster Personen, die rühren, erden, schockieren, empören oder sogar das eigene Schicksal spiegeln. Am Wichtigsten aber: Sie machen nachdenklich. Entstanden aus Interviews mit von Arbeitslosigkeit Betroffenen zeigen sie Bedeutung und Zusammenhänge einzelner Lebensereignisse für die Wege in die und aus der Arbeitslosigkeit auf. Es sind Erzählungen von Kampf und Machtlosigkeit, vom Scheitern und Wiederaufstehen. Diese Geschichten helfen nicht nur menschliche Handlungen besser zu verstehen, sondern sind auch kleine "Mutmacher", die einen Blick in das Leben und die Herzen unserer Mitmenschen gestatten und die Bedeutung von Menschlichkeit und Nächstenliebe offenbaren.
Leseprobe
"... der eine bleibt liegen, der andere will hoch. Das liegt an jedem selber ...”
Name, Alter: Birgit K., 58 Jahre |
Geburtsort: Essen |
Erlernter Beruf: ohne Ausbildung |
Ich komme aus einer Bergmannsfamilie. Ich bin mit einem Stiefvater aufgewachsen. Zu meinem richtigen Vater durfte ich nicht. Als ich zwölf war, sind wir nach Hessen gezogen: Dort hat meine Familie eine große Landwirtschaft aufgemacht und ich hab' mitgearbeitet. Mit 17 wurde ich schwanger, aber meine Eltern wollten das Kind nicht haben — ich sollte es wegmachen lassen. Sie haben mir damals das Leben zur Hölle gemacht und weil wir in einem Dorf wohnten, ging es los mit: "Jetzt ist sie schwanger und hat kein Mann!" Meine Mutter hat mir dann einen Mann aus der Zeitung rausgesucht, den ich einmal gesehen hab' und heiraten musste. Ich hab' ihn nicht geliebt. Meine Oma hat damals gesagt: "Die Liebe kommt später." Ich hab' der Heirat zugestimmt, damit ich von zuhause weg kam. Wir sind nach Marktoberdorf gezogen. Dort hab' ich meine Tochter bekommen, aber nach zwei Jahren ist die Ehe in die Brüche gegangen.
In Marktoberdorf hatte ich damals keine Freunde, keinen Kontakt zu anderen Menschen—mein Mann war Postbeamter und wollte dass ich nur für ihn da bin. Nach der Scheidung bin ich nach Kaufbeuren gegangen. Ich war ganz alleine in der fremden Stadt. Meine Tochter hab' ich zu meinen Eltern gegeben, weil ich nicht für sie sorgen konnte — sie sollte ein besseres Leben haben ...